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Familienleben

Ein Helm kann viel Leid ersparen

FOTO: @dunjaschenk

Der damals vierjährige Moritz Schenk hatte im September 2021 einen Fahrradunfall. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, mehrere Hirnblutungen und diffuse axonale Verletzungen – wie durch ein Wunder trug er keine bleibenden Schäden davon. Was sein Fahrradhelm damit zu tun hatte, berichtet seine Mutter Dunja im Interview.

Dunja, wie kam es zu dem Unfall?

Ganz unspektakulär, mein Mann wollte am letzten Ferientag mit unseren beiden Söhnen Rad fahren. Dann ging alles sehr schnell. Kurz hinter unserem Haus kam Moritz an einer Bordsteinkante ins Schleudern und stürzte. Völlig ohne Fremdverschulden, einfach so. Er fuhr gut Rad, aber er ist sehr unglücklich gestürzt. Zum Glück konnte die Autofahrerin, die kam, noch rechtzeitig bremsen.

Nach dem Unfall war Moritz für lange Zeit im Krankenhaus und in der Reha. Was wurde dort gemacht?

Viele Tage konnte Moritz kein einziges Wort sprechen, weil sein Sprachzentrum gestört war. Doch sein Lächeln hat die Familie durch die schwere Zeit getragen.

Moritz war bewusstlos und wurde direkt ins künstliche Koma versetzt, weil die Verletzungen so schwer waren. Im Krankenhaus wurde untersucht, ob es innere Blutungen oder Verletzungen an der Wirbelsäule gibt, aber bis auf die schwere Kopfverletzung hatte er nichts. Dann mussten wir abwarten.

Moritz war sechs Tage im künstlichen Koma, wir wussten nicht, wie er wieder aufwacht und welche Folgeschäden er haben würde. Als er wach wurde, haben wir bei null angefangen, Moritz hat die komplette Entwicklung vom Baby zum Vierjährigen neu durchgemacht, er musste alles neu lernen. Wie man schluckt, sich bewegt, wie man sitzt, wie man spricht. Nach drei Wochen Krankenhausaufenthalt konnte er wieder essen, wir sind die ersten Schritte zusammen gegangen und langsam kamen auch die ersten Worte wieder.

Das war für euch als Familie sicher eine schwere Zeit. Wie habt ihr das durchgestanden, was hat geholfen?

Am Anfang waren wir wie in einem Tunnel, man steht unter Schock und funktioniert. Ich kann die ersten Tage gar nicht beschreiben. Wenn das eigene Kind im künstlichen Koma liegt und nicht klar ist, wie schwer die Verletzungen wirklich sind, ist das sehr belastend. Am schlimmsten waren die ersten drei Tage, in dieser Zeit ging es erst einmal darum, dass Moritz überlebt. Die erste Nacht war besonders kritisch. Er hat sehr viele Medikamente bekommen, das ging nicht anders, aber es hätte zu einem Organversagen kommen können.

Wir hatten zunächst keine Ahnung von Zeiträumen oder was auf uns zukommt, und haben uns dann immer kleine Schritte als Ziel gesetzt: Hauptsache, er kann stehen, Hauptsache, er kann nicken … Wenn ein Ziel erreicht war, haben wir den nächsten Schritt gemacht.

Wie geht es Moritz heute?

Der Weg nach dem Aufwachen war steinig und schwer – vor allem der schmerzhafte Medikamentenentzug. Moritz hat im künstlichen Koma das Schmerzmittel Fentanyl in den höchsten Dosen erhalten.

Erstaunlich gut, er hat allem getrotzt. Die Ärzte waren sich recht sicher, dass er bleibende Schäden haben wird, aber man sieht und merkt Moritz nichts mehr an. Er hat keine geistigen Schäden davongetragen und ist auf einem ganz normalen Entwicklungsstand, absolut vergleichbar mit anderen Kindern in seinem Alter. Vielleicht ist er ein bisschen anhänglicher geworden seit dem Unfall und auch ein bisschen vorsichtiger – aber das sind Entwicklungen, die auch von selbst, ohne den Unfall, hätten eintreten können. Ob es wirklich daran liegt, weiß man nicht. Moritz hatte großes Glück im Unglück. Die Ärzte sagen, es ist ein Wunder, dass er nichts zurückbehalten hat.

Zum Glück hat Moritz Helm getragen! Was denkst du, wenn du heute Kinder oder Jugendliche ohne Helm Fahrrad fahren siehst?

Hätte Moritz keinen Helm getragen, wäre er heute tot. Wenn ich kleine Kinder ohne Helm fahren sehe, stockt mir der Atem. Gerade in dieser Altersgruppe haben Eltern noch alle Möglichkeiten, auf die Kinder einzuwirken und mit gutem Vorbild voranzugehen. Bei Jugendlichen ist es schwieriger, hier geht es um Gruppendynamik und Coolness; ich versuche gerade, herauszufinden, wie man diese Altersgruppe erreichen kann.

Welche Rolle spielt deiner Ansicht nach die Vorbildfunktion von Erwachsenen?

Von Erwachsenen höre ich oft das Argument „ich fahre schon seit 20 Jahren unfallfrei“ oder „früher gab es auch keine Helme“ – aber das hilft auch nicht weiter, wenn man irgendwann unfallbedingt im Rollstuhl sitzt. Interessant finde ich, dass bei Fahrradhelmen so viel diskutiert wird, aber die meisten Skifahrer tragen selbstverständlich einen Helm, obwohl es in vielen Ländern keine Pflicht gibt. Das hat sich seit dem Unfall von Michael Schumacher so entwickelt. Ich kann nur allen sagen: Mit dem Fahrrad kann das auch passieren, auch völlig unverschuldet. Man hat überhaupt keinen Einfluss darauf, ob einem jemand anderer ins Fahrrad läuft oder fährt. Und es ist so leicht, sich zu schützen, warum sollte man es dann nicht machen? Einen Helm zu tragen, kann viel Leid ersparen.

Du bist Botschafterin der Stiftung savemybrain. Was ist das Ziel der Stiftung, wofür machst du dich stark?

Es geht um Prävention, Aufklärung und Nachsorge von erworbenen Kopfverletzungen. Die Prävention, das Helmtragen, ist eine wesentliche Säule. Man kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist. Aber auch die Nachsorge ist ein wichtiger Baustein – wo kann man Hilfe nach einem Unfall bekommen, welche Therapien gibt es? Die Stiftung ist mit vielen Spezialisten vernetzt. Betroffene oder Angehörige in Deutschland können sich an savemybrain wenden und erhalten kompetente Unterstützung.

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