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Tüftelnd in die Zukunft

Foto: Diego PH via Unsplash

Wie wir gemeinsam die Welt neu gestalten

Spiel, Freude und Experimentieren: Das sind selten Worte, die wir mit Lernen verbinden. Aber genau diese Leidenschaft brauchen wir, um in einer sich ständig verändernden Welt mit Begeisterung Neues zu lernen. Wir brauchen Kompetenzen, die uns befähigen, die großen Herausforderungen unserer Zeit wie Klimawandel oder Pandemien lösen zu können. Technologie und der richtige Einsatz von Digitalisierung können dabei eine große Hebelwirkung haben. Deshalb ist es essentiell, dass wir diese Kompetenzen und digitale Bildung in unser Bildungssystem integrieren, um Bildungs- und somit auch Chancengerechtigkeit zu leben. Und natürlich um Technologien zu unserem Nutzen gestalten und einsetzen zu können.  

Deshalb sprechen wir heute mit Julia Kleeberger und Franziska Schmid, Gründerinnen des Sozialunternehmens Junge Tüftler*innen.

Dr. Julia Kleeberger (l.) und Franziska Schmid (Foto: Andi Weiland)

Dabei handelt es sich um eine gemeinnützige Organisation mit dem Ziel, Menschen zu befähigen, mit digitalen Werkzeugen die Welt aktiv und nachhaltig zu gestalten. Sie verbinden Nachhaltigkeit mit digitaler Bildung. So entstehen in den Workshops der Tüftler*innen interaktive Poster, die erzählen, wie viel Müll im Meer landet oder Roboter, die Bäume gießen. Auch in Fortbildungen werden Lehrpersonen und Bibliotheksmitarbeitende zum Tüfteln motiviert. Außerdem haben sie die Initiative Coding for Tomorrow gemeinsam mit der Vodafone Stiftung Deutschland auf die Beine gestellt, die Lernplattform TüftelAkademie aufgebaut, sind aktiv im Futurium und ausgezeichneter Ort im Land der Ideen. 

Sie sind beide Quereinsteigerinnen in der Bildungsbranche und haben beruflich vorher andere Schwerpunkte gesetzt. Wie ist es dazu gekommen, dass sie gemeinsam ein Bildungs-Start-up gegründet haben? 

Franziska Schmid: 2015 haben wir neben unseren beiden Vollzeitjobs als Designerin und Medienforscherin in der Freizeit angefangen, mit technischen Tools zu experimentieren und für uns selbst Wissen dazu aufzubauen. Dabei hat uns die eigene Neugierde angetrieben. Und das Ganze war so einfach und hat irre Spaß gemacht! Bezeichnend waren die ersten Experimentierabende in meiner Küche mit leitfähiger und isolierender Knete. Wir haben schnell gemerkt, dass man mit so einfachen Mitteln einen so erlebbaren Lerneffekt erzielen kann und uns die Frage gestellt: ‘Warum findet sowas nicht in Schulen statt?’ 

Wir haben dann einfach selbst ein paar erste Workshops veranstaltet und viel dazu gelernt. Mittlerweile umfasst unsere Zielgruppe neben Kindern und Jugendlichen auch Lehrpersonen, Bibliotheksmitarbeitende und andere Multiplikator*innen. Neben dem Tüfteln mit Mikrocontrollern und Code machen wir auch vor Themen wie Künstliche Intelligenz, Virtual Reality und Quantentechnologie nicht halt. Alles immer mit dem Fokus auf das erfahrbare Lernen und den Ansatz, dass wir Zugänge schaffen für alle, die sich diesen wichtigen technologischen Themen zu nähern, alles nach dem Motto „Tech for Good“. 

Hat die Coronakrise einen Einfluss auf ihre Perspektive und Ihren Alltag? 

Dr. Julia Kleeberger: Durch die Corona-Pandemie ist mit erschütternder Deutlichkeit klargeworden: Die Zukunft ist unvorhersehbar. Wenn wir unsere Kinder auf diese sich schnell ändernde Welt vorbereiten wollen, so benötigen wir einen Lernprozess, der Kindern hilft, die Kompetenzen auszubilden, sich schnell an neue Umstände anzupassen, gemeinsam im Team nach Lösungen zu suchen und komplexe Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen, um die Welt mitzugestalten. 

Die klassischen Berufsbilder zerfallen zunehmend und immer weniger Menschen sind bis zur Rente im gleichen Beruf. Heute entstehen neue, unvorhersehbare Berufsbilder in einer Geschwindigkeit, auf die klassische Bildungssysteme nicht vorbereiten könne, da diese nicht dynamisch genug agieren können. Deshalb ist es uns wichtig, Brücken zwischen Schulen und außerschulischen Angeboten zu bauen. Wenn beide Seiten an einem Strang ziehen, können wir das Beste aus beiden Welten vereinen, agil neue Themen einbringen und Schüler*innen für diese begeistern.  

Welche Kompetenzen sind das denn konkret, die unsere Kinder für die Zukunft brauchen? 

Franziska Schmid: Das sind vor allem Kompetenzen einer zeitgemäßen Lernkultur! Neben der Ausbildung von Wissen umfasst das vor allem die sogenannten 21st-Century-Skills, wie digitale Fertigkeiten, Kooperationsfähigkeit, projektbasiertes Arbeiten und Problemlösekompetenzen, wie sie die OECD bereits seit mehreren Jahren fordert. 

Dabei ist es uns ein großes Anliegen, sich inhaltlich an den Zielen für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu orientieren, die die aktuell größten gemeinsamen Herausforderungen der Menschheit darstellen, wie Klimaschutz, Armut oder Hunger. Denn das sind die Themen, die uns und unsere Kinder wirklich beschäftigen und die wir lösen wollen. 

Hier schlagen Sie also mit Ihrem Ansatz die Brücke zwischen Digitaler Bildung und Nachhaltigkeit. 

Dr. Julia Kleeberger: Genau! Denn Technologien können zur Lösung dieser Probleme einen positiven Beitrag leisten. Damit sie tatsächlich Wirkkraft entfalten und sinnstiftend eingesetzt werden, müssen Menschen sie verstehen, hinterfragen und befähigt werden, sie anzuwenden. 

Verantwortung und Motivation dazu liegt nicht speziell bei den Lernenden oder Lehrenden. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die wir ebenso gesamtgesellschaftlich lösen müssen. Dabei brauchen wir systemischen Wandel und keine Symptombehandlung. Es gilt also, Wege zu finden, wie wir zusammen mit dem formalen Bildungssystem gehen können. Ein Beispiel dafür ist unser Beitrag auf der Webseite KI-Campus des Bildungsministeriums. Hier haben wir gemeinsam mit Wissenschaftler*innen des Fraunhofer Instituts und des DFKI Unterrichtsmaterialien zum Thema Künstliche Intelligenz für Lehrpersonen entwickelt, für die keine Vorkenntnisse nötig sind. 

Franziska Schmid: Letztlich läuft es darauf hinaus, dass wir unser Verständnis von Lernkultur erweitern müssen. Lernen ist nicht nur in Schule oder Universität verortet, sondern findet lebenslang statt – und das ist auch gut so, denn Lernen macht ja auch Spaß! 

Ihr neuestes Projekt ist ein FabLab mitten in der Hauptstadt – können Sie uns mehr darüber sagen? 

Franziska Schmid: Unser neues Projekt heißt GoodLab. Im GoodLab soll sich alles genau um die Dinge drehen, die wir eben genannt haben. Wir fragen uns „In welcher Welt wollen wir leben?“ – um darauf Antworten zu gestalten, wird es Maschinen wie 3D-Drucker, Lasercutter und Mikrocontroller geben, wir arbeiten mit recycelten Materialien, und natürlich wird es Workshops und Veranstaltungen geben, um Projekte zum Thema Nachhaltigkeit real werden zu lassen – von Guerilla Gardening über den Bau von Photovoltaik-Fahrrädern bis hin zur Programmierung intelligenter Mülleimer. Alle sind herzlich willkommen und entscheiden selbst mit, wie wir unsere Zukunft gemeinsam gestalten.  

Sie möchten mehr erfahren?

Weitere Informationen finden Sie unter junge-tueftler.de.

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