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Locker zur großen Leuchte

Foto: Guido Schröder

Wie lernte man früher, wie heute? Wir sprachen mit Schauspielerin Janine Kunze und ihrer Tochter Lili Budach über Digitales und Altmodisches, Pauken für Paris und dicke Drehbücher mit Eselsohren.

Für die einen ist Lernen mühsam, für die anderen Freude. Gehst Du gern zur Schule?

Lili Budach: Ja, ich lerne viel Neues und habe dort meine Freunde. Macht viel Spaß. Meine Lieblingsfächer sind Sozialwissenschaften und Englisch, Mathe und Naturwissenschaften eher nicht.

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War das bei Ihnen auch so?

Janine Kunze: In Mathe war ich auch nicht die große Leuchte. Das habe ich wohl vererbt. Ich halte mich für einen logisch denkenden Menschen, aber in Mathe hatte ich mit Logik immer meine Probleme. Ich war gut in Bio und Deutsch. Und mit guten Noten in Sport und Religion konnte man vieles rausreissen. Lili hat die Ernsthaftigkeit und Wichtigkeit von Schule verstanden und macht ihr Ding. Sie ist sehr zielstrebig und fokussiert. Ich wusste damals aber auch, was ich wollte.

Wie nehmen Sie heute als Mutter die Schule wahr?

Janine Kunze: Ich finde schon, dass sich Schule extrem verändert hat und sie schwieriger geworden ist. Die Kinder sind sehr in den Schulalltag eingebunden und es wird mehr von ihnen verlangt. Das stresst sie. An solche Überbelastung kann ich mich nicht erinnern. Ich kam mittags aus der Schule, es gab Mittagessen, maximal zwei Stunden Hausaufgaben und dann war ich gegen vier Uhr auf der Straße oder im Wald, um mit Freunden zu spielen. Oder ich hatte Hobbys wie Tanzen oder Sport. Diese Zeit bleibt den Kindern heute kaum. Trotz Pausen sind sie oft nicht vor 16 Uhr zu Hause und müssen dann weiter lernen. Selbst mein Sohn bekommt in der Grundschule seitenweise Aufgaben mit nach Hause, die sie sich zusätzlich zu den Hausaufgaben erarbeiten müssen.

Was glauben Sie – woran liegt diese Überbelastung?

Janine Kunze: Ein Grund könnten neue Strukturen sein. Ich bin sehr froh, dass wieder G9 eingeführt wird. Ich halte G8 für eine falsche Entscheidung, die nichts Positives gebracht hat. Dabei lag doch der deutsche Schulstandard immer vorn. Bei Elternabenden bekommt man mit, dass auch viele Lehrer nicht mehr mit diesem Pensum klarkommen. Die Komplettüberlastung zeigt sich vermehrt mit Krankheiten bei Kindern wie Lehrer. Lernen hat keine Leichtigkeit mehr. Dennoch gehen meine Kinder grundsätzlich gern in die Schule.

Wie sehen Eure Lernutensilien in digitalen Zeiten aus? Kennt Ihr noch Stifte, Bücher, die Tafel mit Kreide?

Lili Budach: Es kommt sicher auf die jeweilige Schule an. Bei uns in Köln verwenden wir zum einen Bücher und Papier und zum anderen digitale Medien. Tablets sind bei uns erst in der Oberstufe erlaubt. Es gibt inzwischen in jedem Klassenraum einen Fernseher und ein Whiteboard. Die Beamer von früher habe ich schon lange nicht mehr gesehen.

Gerade beim Lernen von Sprachen und Vokabeln gibt’s ja geniale interaktive Apps.

Lili Budach: Ich bin da etwas altmodisch und lerne Vokabeln für Französisch lieber mit Karteikarten. Laptops und Apps lenken mich ab. Man surft zu schnell im Internet und beantwortet Nachrichten.

Hast Du jetzt schon berufliche Pläne?

Lili Budach: Ich schauspiele zwar zurzeit nebenbei und das macht mir viel Spaß. Aber ich mache auf jeden Fall mein Abi und möchte gern studieren. Auch um ein sicheres zweites Standbein zu haben. Ich halte die Ausbildungs- oder Studienzeit für sehr wichtig für die eigene Entwicklung. Es gibt noch so viele Themen, die mich interessieren, abgesehen von der Schauspielerei. Ich liebe Paris und die französische Sprache. Vielleicht studiere ich dort Businessmanagement oder Politik in Straßburg. Spannend finde ich deutsch-französische Kooperationen, wo man ein Semester in Berlin und das nächste in Paris studiert. Bei einem Schüleraustausch in Frankreich hatte ich den Eindruck, dass französische Schüler nach dem Unterricht zu Hause noch kontinuierlicher lernen als wir in Deutschland.

Wie büffeln Sie denn als Schauspielerin?

Janine Kunze: Schauspielerei war immer meine große Leidenschaft und dann geht einem das Lernen leichter von der Hand. Ich kann tatsächlich in relativ kurzer Zeit Texte auswendig lernen, auch dank fotografischem Gedächtnis. Dialoge sind zudem einfacher zu merken. Da mache ich mich locker.

Haben Sie dabei das Skript auf einem Tablet und an welchen Orten lernen Sie?

Janine Kunze: Ich renne mit einem dicken, schweren Drehbuch durch die Gegend. Da mache ich mir Eselsohren und Notizen rein. Ich kann das nicht wie ein Kollege auf dem Tablet. Ich will ein Buch in der Hand haben, es riechen, die Seiten umblättern und anmarkern. Ich mag auch kein Kindle. Ich finde das unsexy. Ich bin da altmodisch und brauche das Haptische.

Für die achte Staffel von Heldt drehen wir zurzeit in der Staatsanwaltschaft. Ich lerne dann in den anderthalb Stunden im Auto, in denen uns unsere Fahrer dort hin und wieder nach Hause bringen. Für sehr intensive Szenen, zum Beispiel mit vielen juristischen Paragrafen, setze ich mich auch ins Wohnzimmer. Der Fernseher bleibt dann aus und ich konzentriere mich intensiv.

Da habe ich jetzt was gelernt. Sie haben einen eigenen Fahrer?

Janine Kunze: Ja, wussten Sie das nicht? Das ist das Privileg der Schauspieler. Zumindest werde ich als weibliche Hauptrolle mit einem Fahrdienst hingebracht und abgeholt. Ich weiß, klingt wahnsinnig verwöhnt und schrecklich unsympathisch. Aber warum soll ich da Nein sagen? Ich glaube, die Produktion will uns da gar keinen Gefallen tun. Die sind in Panik, dass wir den Weg nicht finden oder zu spät kommen. Heute ist schließlich alles durchgetaktet und kostenintensiv.

Man lernt nie aus und machmal lernen Eltern sogar von ihren Kindern. Sie auch?

Janine Kunze: Ich bewundere an meinen Kindern die Leichtigkeit, die ich mir für mich manchmal wieder wünschen würde. Kinder müssen gerade in der heutigen Zeit, in denen viele Informationen über unterschiedliche Medienkanäle auf sie einströmen, die wir früher nicht hatten, sehr klar sein. Ich finde toll, dass Jugendliche die Stärke und Willenskraft aufbringen, sich von solchen Kanälen zurückzuziehen. Facebook und Instagram sind oft kontraproduktiv. Sie erschweren Eltern das Elternsein und Kindern das Kindsein. Sie werden dort zu früh mit Themen konfrontiert, für die sie noch zu jung sind. Das können Sie kaum verhindern. Mein Sohn ist einer der wenigen in der Grundschule, der noch kein Handy besitzt. Aber natürlich guckt er in der Pause auf die der anderen.

Und was lernst Du von Deinen Eltern?

Lili Budach: Sie sind fleißig bei dem, was sie tun. Sie gehen liebevoll mit sich und anderen um. Und je älter ich werde, desto mehr verstehe ich das eine oder andere Nein.

Sie möchten mehr über Janine Kunze erfahren?

Begleiten Sie ihren Weg auf Instagram unter @janinekunzeofficial

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