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Kindergesundheit

Ich fühle mich wie ein Baby

Foto: Anna Berdnik via shutterstock

Pascal senkt den Kopf und spricht leise, wenn er von seiner Windel erzählt. Der Zehnjährige macht etwa drei- bis viermal pro Woche ins Bett.

Er fühle sich wie ein Baby, sagt er. Pascal schämt sich. Deshalb weiß außer seinen Eltern auch niemand, dass er wieder eine Windel trägt.
Bettnässen ist laut der „Initiative Trockene Nacht“ die zweithäufigste chronische Erkrankung bei Kindern nach Asthma.

Mehr als sechs Prozent der Zehn- bis Zwölfjährigen sind betroffen. In einer Klasse mit 30 Schülern sind das durchschnittlich drei Kinder. Obwohl Kinderinkontinenz häufig vorkommt, wird meist über das Problem geschwiegen. Pascal fürchtet, die anderen könnten ihn auslachen. Vor einem Jahr, als seine Grundschulklasse einen Ausflug mit Übernachtung machte, blieb er zu Hause.

Normalerweise können Kinder ab einem Alter von etwa vier Jahren ihre Blasenfunktion kontrollieren. Nicht immer gelingt dies. Die Ursachen von Kinderinkontinenz können vielfältig sein. Das Universitätsklinikum Heidelberg merkt dazu an, dass das Einnässen bei Kindern nur ein Symptom ist und keine Erkrankung an sich. Hinter dem Einnässen stecken entweder psychische oder biologische Ursachen.

Formen und Ursachen von Kinderinkontinenz

Grob werden zwei Formen von Kinderinkontinenz unterschieden: die primäre Enuresis, bei der ein Kind auch nach dem fünften Lebensjahr noch öfter ins Bett macht, und die sekundäre Enuresis, bei der ein Kind trocken war und wieder „zurückfällt“.

Die erste Form des Bettnässens wird meist durch falsche Trinkgewohnheiten, eine genetische Veranlagung oder anatomische Ursachen wie eine zu kleine Blase ausgelöst. Für die zweite Form gibt es eher psychische Gründe, zum Beispiel eine Scheidung der Eltern, der Tod von Bruder oder Schwester, oder großer Stress in der Schule.

Manchmal nässen Kinder nicht nur nachts, sondern auch tagsüber ein. Bei Kindern, die nur tagsüber einnässen, sprechen Mediziner von einer kindlichen Inkontinenz. Eine häufige Ursache dafür sind falsche Angewohnheiten. Kinder unterdrücken dann den Harndrang und gehen selten oder zu spät zur Toilette – zum Beispiel wenn sie ins Spiel vertieft sind. Auch eine Infektion der Harnwege kann ein Grund für Einnässen sein.

Therapie von Kinderinkontinenz

Sowohl das Einnässen am Tag als auch in der Nacht können behandelt werden. Für die beste Therapie sollten sich Eltern an einen Arzt wenden. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, die auch miteinander kombiniert werden können:

  • Urotherapie: Bei der Urotherapie lernen Kinder, ein Gefühl für ihren Körper zu entwickeln. Der Arzt oder Therapeut erklärt ihnen zum Beispiel, wie die Blase funktioniert. Sie lernen, auf die Signale des Körpers zu hören. Auch das Verhalten, die Trinkgewohnheiten und das richtige Sitzen auf der Toilette werden trainiert
  • Alarmtherapie: Bei der Alarmtherapie wird das Kind geweckt, bevor es ins Bett macht. Ein Sensor in der Unterhose oder auf der Matratze registriert Feuchtigkeit und löst beim ersten Tropfen Alarm aus. Das Kind kann dann zur Toilette gehen, bevor das Bett nass ist.
  • Medikamente: Die Behandlung mit Medikamenten kann sinnvoll sein, wenn Kinderinkontinenz nicht durch psychische Ursachen ausgelöst wird.

Pascal füllt für die Diagnose und die Therapie mit seiner Mutter ein sogenanntes Blasentagebuch aus. Darin notieren sie, wie viel er trinkt und wann er zur Toilette geht. Es stellt sich heraus, dass sein Körper zu wenig vom Hormon ADH besitzt. Normalerweise würde ADH bewirken, dass nachts weniger Urin gebildet wird als am Tag.

Pascal hat nicht genug von diesem Hormon, dadurch füllt sich seine Blase auch nachts stärker. Der Arzt hat ihm ein Medikament verschrieben, das Pascal über mehrere Monate nehmen soll. Es bewirkt dasselbe wie das Hormon und führt dazu, dass er nur noch selten ins Bett macht.

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