Home » Kindergesundheit » Milchnahrung: Ja, Nein, Vielleicht… und vor allem welche?
Kindergesundheit

Milchnahrung: Ja, Nein, Vielleicht… und vor allem welche?

Foto: FamVeld via Shutterstock

Schieben oder Tragen, eigenes Zimmer oder Familienbett – es gibt viele heiß diskutierte Themen für frischgebackene Eltern, aber über kaum eins wird so leidenschaftlich gestritten wie die Frage: Stillen oder Fläschchen geben?

Aber was ist dran an dem Streit – müssen sich Eltern darüber wirklich in die Haare kriegen oder sollte jeder einfach den für sich richtigen Weg gehen?

Natürlich ist Muttermilch die perfekte Nahrung für Babys. Stets verfügbar, perfekt auf die Bedürfnisse des Babys abgestimmt, trinkfertig und richtig temperiert. Aber nicht alle Mütter können oder wollen (voll) Stillen. Zu schlechten Eltern macht sie das noch lange nicht.

Babys profitieren auch von entspannten, zufriedenen Mamas und Papas –  und wenn das durch das (Zu-)Füttern von Milchnahrung unterstützt wird, spricht natürlich nichts dagegen. Selbst die WHO rät zwar zum Stillen in den ersten 6 Lebensmonaten, erkennt Anfangsmilchnahrung aber auch als einzigen Ersatz für Muttermilch an, der Babys ebenfalls alles gibt, was sie für ihre gesunde Entwicklung brauchen.

Wichtig ist also vor allem die Wahl der richtigen Milchnahrung für Ihr Baby in jeder Entwicklungsstufe. Doch die Auswahl ist riesig.

Viele greifen der Einfachheit halber schlicht auf Empfehlungen Ihrer Bekannten und Verwandten zurück oder bleiben bei der Marke, die es schon im Krankenhaus gab. Doch jedes Baby ist verschieden und manchmal lohnt ein genauer Blick auf das Angebot, um die perfekte Nahrung für das eigene Baby zu finden.

Um den ohnehin schon gestressten Eltern die Wahl zu erleichtern, haben wir hier alle wichtigen Infos kompakt im Überblick.

Für jede Entwicklungsstufe vom Säugling bis zum Kleinkind gibt es eine darauf angepasste Milchnahrung, denn auch die Ernährungsbedürfnisse von Babys verändern sich im Laufe der Zeit. Als erstes gilt es also, die richtige Stufe für Ihr Baby zu finden:

  • Von Geburt an, wenn nicht (voll) gestillt wird, ist eine PRE- oder Anfangsmilch – die Stufe „1“ – geeignet. Diese speziellen Säuglingsanfangsnahrungen sind an das noch unreife Verdauungssystem von Neugeborenen angepasst. PRE-Nahrung enthält nur Lactose, auch bekannt als Milchzucker, als Kohlenhydratquelle. Sie ist sehr dünnflüssig und wird extrem schnell verdaut, eine Überfütterung ist praktisch nicht möglich. Daher kann nach Bedarf gefüttert werden. 1er Nahrungen enthalten in der Regel eine weitere Kohlenhydratquelle – oft einfache Stärke, oder einen bereits heruntergebrochenen Bestandteil davon: leicht verdauliches Maltodextrin. Diese Kohlenhydrate machen die Milch zwar nicht kalorienreicher, wohl aber ein bisschen sämiger. Und weil sie nicht ganz so schnell verdaut werden wie Lactose hält die Sättigung ein wenig länger an, und Babys werden dadurch oft als „zufriedener“ empfunden oder schlafen früher durch. Allerdings sollten die empfohlenen Trinkmengen beachtet werden, bzw. Abweichung mit Kinderarzt oder Hebamme besprochen werden, um eine Überfütterung zu vermeiden. Dafür lässt sich mit einer 1er-Milch dank eines regelmäßigeren Trinkrhythmus der Tagesablauf oft besser planen.
  • Babys wachsen schnell und beginnen mit der Entdeckung ihrer Umwelt. Das macht hungrig, und es kann sein, dass Ihr Baby ständig Hunger anmeldet, weil die dünne Anfangsmilch nicht mehr ausreicht. Mit etwa 6 Monaten ist es daher an der Zeit, den Speiseplan Ihres Babys zu erweitern. Sie können nun mit Beikost starten und ebenfalls auf eine Folgemilch der Stufe „2“ umstellen. Sie sättigen noch besser, sind energiereicher und natürlich auf den Nährstoffbedarf von Babys ab 6 Monatenausgerichtet.
  • Ab etwa 12 Monaten bekommen die meisten Babys bereits viel von der normalen Familienkost, auch Kuhmilch ist kein Tabu mehr. Ideal ist ihre Zusammensetzung jedoch nicht für Kleinkinder: Der Proteingehalt ist zum Beispiel zu hoch, der Überschuss kann nicht vollständig verdaut werden und belastet dann die Nieren. Der Eisengehalt hingegen ist zu niedrig um den Tagesbedarf ideal zu decken. Daher sollten Sie auf die Trinkmenge achten – wenn Ihr Kind eher ein schlechter Esser ist und noch viel Milch zum sattwerden trinkt, ist es mit einer speziellen Kleinkindmilch einfacher, eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Achten Sie jedoch darauf, eine Marke ohne zugesetzten Kristallzucker oder künstliche Aromen zu verwenden.

Haben Sie die richtige Stufe für Ihr Baby gefunden? Dann wird es jetzt richtig spannend: Ein Blick auf die Inhaltsstoffe.

Die gute Nachricht zuerst: Alle Säuglingsanfangs- und Folgenahrungen müssen in der EU strenge Vorgaben erfüllen, und Inhaltsstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe sind gesetzlich geregelt. Auch günstige Marken stellen also die grundlegende Nährstoffversorgung der Säuglinge sicher. Doch nur die Nährstofftabellen alleine zu vergleichen genügt nicht immer, um die Qualität zu beurteilen. Es kommt auch darauf an, in welcher Form diese vorliegen und wie gut sie somit vom Körper aufgenommen und verarbeitet werden können.

Bei genauem Hinsehen gibt es also doch große Unterschiede in der Zusammensetzung – und von Bio bis High-Tech wird alles geboten. Einige Hersteller wie Hipp oder Holle versuchen zum Beispiel, möglichst naturbelassene Produkte anzubieten, während Anbieter wie Aptamil darauf fokussieren, dem Vorbild Muttermilch besonders nahe zu kommen. Dass auch beides möglich ist, zeigen hingegen Nischenanbieter wie z.B. Natamil: Mit einer schonenden Herstellung, die natürliche Inhaltsstoffe der Milch erhält, und High-Tech Zusätzen nach dem Vorbild der Muttermilch geht das Münchner Unternehmen einen neuen Weg. Die hochwertige Nahrung ist jedoch hauptsächlich in Apotheken erhältlich und noch eher ein Geheimtipp.

Doch was verbirgt sich hinter den unterschiedlichen Zutaten und Herstellungsweisen, und wie wird aus Kuh-Milch eine Milch für Menschenbabys?

Die Basis für Milchnahrung bildet normalerweise Kuhmilch. Diese ist jedoch in ihrer Zusammensetzung nicht für Babys geeignet, sie wird daher an das Vorbild Muttermilch angenähert. Dafür gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Zunächst muss das entfernt werden, was zu viel ist – z.B. Proteine. Auch die Zusammensetzung des Eiweiß wird an den Bedarf der Menschenbabys angepasst.

Einige Hersteller verwenden Molkenproteinkonzentrat, das durch Ultrafiltration aus Milch gewonnen wird. Das Konzentrat ist völlig demineralisiert, alle herausgefilterten Nährstoffe müssen hinterher wieder zugesetzt werden. Andere Hersteller, meist Bio-Anbieter, jedoch auch konventionelle Marken wie Natamil, setzen hingegen auf schonendere Herstellungsmethoden, bei denen nur das entfernt wird, was zu viel ist. So bleiben mehr der wertvollen Inhaltsstoffe der Milch enthalten und müssen nicht künstlich zugesetzt werden; sie liegen in ihrer natürlichen, vom Körper besonders gut verwertbaren Form vor.

Übrigens: Ob dabei Bio- oder konventionelle Milch verwendet wird, ist hauptsächlich eine Frage der Einstellung. Die nachhaltige Landwirtschaft von Bio-Milchhöfen ist natürlich umweltfreundlicher – eine Belastung mit Schadstoffen oder Pestiziden müssen sie aber auch bei Nicht-Bio-Milch nicht fürchten: Die Auflagen der Diät-Verordnung für Babynahrung sind in dieser Hinsicht nämlich noch strenger als die Bio-Vorgaben. Und die zugesetzten Vitamine und Mineralstoffe stammen ohnehin aus konventioneller Herkunft, dürfen aber bei Bio-Produkten einen Anteil von 5% nicht übersteigen.

Und was ist sonst noch drin in der Milch?

Außer den Vitaminen und Mineralstoffen gibt es weitere Inhaltsstoffe, welche die Forschung in der Muttermilch identifiziert hat. Nicht alle können imitiert werden, besonders die Immunstoffe der Muttermilch sind durch nichts zu ersetzen. Aber es gibt viele Elemente, deren Zusatz eine positive Wirkung auf die Reifung von Verdauungstrakt und Immunsystem, aber auch die generelle gesunde Entwicklung von Babys haben sollen.

  • DHA (Docosahexaensäure/ Omega-3) und AA (Arachidonsäure/ Omega 6)

Langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren (kurz LCP) wie DHA und AA sind essentielle Fettsäuren und wichtige Bausteine für die Entwicklung des Gehirns sowie der Seh- und Nervenzellen. Da der Körper sie nicht selbst herstellen kann, müssen sie mit der Nahrung aufgenommen werden, und Sie sollten auf eine ausreichend hohe Dosierung in der Milchnahrung, vor allem in der Anfangsmilch achten. Später kann auch die Beikost einen Beitrag zur Versorgung mit essentiellen Fettsäuren liefern.

  • Nucleotide

Die in der Muttermilch enthaltenen Nucleotide haben eine vielfältige Wirkung. Sie sind sozusagen die Grundbausteine unserer DNA und somit an vielen Prozessen im Körper beteiligt – unter anderem an der Reifung des Verdauungstrakts und der LCP-Bildung, sie stärken aber auch die Immunabwehr, da sie die Bildung von Antikörpern befeuern. Erwachsene Körper können genügend dieser Zellbausteine selbst bilden. In den ersten Lebensmonaten jedoch wachsen Babys so schnell, dass die zusätzliche Aufnahme von Nucleotiden über die Nahrung empfehlenswert ist.

  • Pre- bzw. Präbiotische und Probiotische Inhaltsstoffe

Eine enorm wichtige Rolle nicht nur für die Verdauung, sondern auch für das Immunsystem, spielt eine gesunde Darmflora. Diese müssen Babys erst aufbauen, d.h. der Dickdarm muss mit den nützlichen Bifido- und Milchsäurebakterien besiedelt werden. Wenn diese sich ausbreiten, haben krankmachende Keime erst gar keinen Platz, um sich anzusiedeln.

Präbiotika sind unverdaulichen Ballaststoffe (also komplexe Kohlenhydrate wie zum Beispiel Galacto-Oligosaccaride) und sozusagen eine Vorstufe dieser „guten“ Bakterien: Sie gelangen unverdaut in den Dickdarm und dienen den Bakterien als Nahrung. Sie regulieren die Verdauung und beugen Verstopfung vor.

Als Probiotika können diese Bakterien der Nahrung auch direkt zugesetzt werden, es ist jedoch umstritten, ob diese Bakterien sich wirklich dauerhaft in der Darmflora der Babys ansiedeln können. Nachgewiesen ist aber immerhin ein positiver Einfluss auf die Milchzuckerverwertung bei Laktoseintoleranz.

Wie genau Präbiotika wirken, können Forscher noch nicht erklären – einig sind sie sich jedoch darin, dass sie das Risiko schwerer Infektionen wie Atemwegserkrankungen, aber auch Magen-Darm-Beschwerden und allergische Hautreaktionen um die Hälfte reduzieren. Für eine optimale Wirkung sollten etwa 4-5 Gramm pro Tag aufgenommen werden – darunter entfalten die Ballaststoffe ihre Wirkung nicht, eine höhere Dosierung kann bei empfindlichen Kindern zu Blähungen und Durchfall führen.

Präbiotika sind inzwischen in vielen Milchnahrungen enthalten. Probiotische Milchnahrung gibt es von Nestlé (Beba und Alete). Eine Kombination aus Pro- und Präbiotischen Inhaltsstoffen enthalten zum Beispiel die Hipp Combiotik Milchnahrungen.

Schlussendlich müssen Sie für sich entscheiden, worauf Sie den größten Wert legen und welche dieser Zusätze Ihnen persönlich besonders wichtig sind. Manche Bio-Hersteller wie Holle entscheiden sich zum Beispiel bewusst gegen eine Anreicherung mit DHA, weil dessen konventionelle Gewinnung nicht ihren Vorstellungen entspricht.

Das letzte Wort wird aber ohnehin Ihr Baby haben, denn alle Kinder sind nun mal einzigartig und können unterschiedlich auf die verschiedenen Nahrungen reagieren. Wir hoffen dennoch, dass wir Ihnen mit diesen Informationen geholfen haben, die passende Nahrung für Ihr Baby zu finden.

Und als Tipp zum Schluss: Wenn ihr Kind besonders Allergie-gefährdet ist oder an einer Nahrungsunverträglichkeit leidet, gibt es natürlich auch Spezialnahrungen. Am besten lassen Sie sich dazu von Ihrem Arzt oder Hebamme beraten.

Nächster Artikel